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Hilft Stressmanagement in der Krise?

Alexander Dienstag, 28. April 2020 von Alexander

Hilft Stressmanagement in der Krise?

Gestern hat mich jemand gefragt, ob ich mit meinen Resilienz Kenntnissen Vorteile in dieser Krise habe. Das finde ich eine sehr interessante Frage und ich möchte vertieft auf sie eingehen.

Stressmanagement hilft in herausfordernden Situationen auf verschiedenen Ebenen. Ich greife als erstes das Thema Angst auf. Seit Wochen sehen wir Bilder von Horrorszenarien, von schrecklichen Krankheitsverläufen und von Tod. Es ist eine massive Verunsicherung und Verängstigung in der Gesellschaft spürbar.

Mit starken Ängsten habe ich mich vor zwei Jahren intensiv auseinander gesetzt. Damals habe ich in einer einstündigen Sitzung mein Mandat bei meinem langjährigen Weggefährten und Freund Dr. med. Marco Caimi verloren. Nach fünf Jahren Männerpraxis und einer intensiven Zusammenarbeit stand ich von einem Moment auf den anderen vor dem Nichts. Heftige Existenzängste überkamen mich und ich wähnte mich vor dem Aus. Nach dem ersten Schock besann ich mich auf eine spezielle Resilienz-Facette. Eine wichtige Komponente im Umgang mit Krisen die Achtsamkeit. Achtsamkeit heisst Fokus auf den Moment. In meinem Fall bedeutete dies, mich zu fragen, ob eins der Scenarios meiner Existenzängste bereits eingetroffen sei. «Bin ich auf Sozialhilfe angewiesen?» - Nein. «Habe ich meine Wohnung verloren?» - Nein. «Muss ich hungern?» - Nein. «Hat sich mein soziales Umfeld von mir abgewendet?» - Nein. Unser Gehirn neigt in Krisen zum «Katastrophisieren». Wir neigen dazu das Worst-Case-Scenario als realistischste Alternative wahrzunehmen. Meist trifft dieses jedoch nicht ein. Irgendetwas passiert, aber nicht das, was wir uns ausmalen. Für mich heisst das rückblickend, dass ich durchaus meine Wohnung aufgeben musste und sich meine Wohnsituation veränderte, ich jedoch vor einer Woche in eine neue, schönere Wohnung einziehen durfte. Kein Grund zur Panik also. Meine Selbstständigkeit als Resilienz Experte beginnt langsam Fahrt aufzunehmen. Ich durfte verschiedene Mandate wahrnehmen, unter anderen ein Referat an der 6th International Conference on STRESS MANAGEMENT in Hyderabad (Indien), was eine unbeschreibliche Erfahrung war. Kein Grund zur Panik. Ich habe eine 50% Anstellung zur Deckung meiner Fixkosten gefunden, die mir viel Spass bereitet und dennoch genügend Freiheiten für den Aufbau meiner Selbstständigkeit lässt. Kein Grund zur Panik. Alle Horrorgedanken, die meine Existenzängste befeuerten, sind ausgeblieben. Ängste sind schlechte Ratgeber. Deshalb kann ich empfehlen, auf die Zukunft zu vertrauen. Die Zukunft ist garantiert, sie kommt vielleicht einfach anders als vermutet. Gerne möchte ich an dieser Stelle meine Definition des Unterschiedes zwischen Angst und Gefahr teilen. Ängste sind in unseren Köpfen, Gefahren lauern draussen in der Realität. Umgesetzt auf die aktuelle Krise stellt sich für mich folgende Fragen: Besteht eine reale Gefahr, dass ich mich mit dem Corona Virus anstecke? Möglich. Werde ich daran sterben? Sehr unwahrscheinlich. Ich habe in hunderten Referaten von Marco Caimi viel über unseren Körper, unser Immunsystem, und darüber wie wir dieses stärken können, gelernt. Ich übernehme Eigenverantwortung, indem ich notwendige Vitamine zu mir nehme, mich adäquat bewege und gesund und gelassen lebe. Daher zähle ich mich nicht zur Risikogruppe. Kein Grund zur Panik.

Kommen wir zum Thema Stress. Stress hat nachgewiesenermassen einen schädigenden Einfluss auf das Immunsystem. Durch Stress werden Hormone im Körper freigesetzt, die das Überleben in Gefahrensituationen sichern sollen. Dieses System ist von Mutter Natur für den kurzfristigen Einsatz in Flucht- oder Kampfsituationen konzipiert. Im richtigen Moment rettet Stress Leben. Werden Stresshormone, hauptsächlich Cortisol, aber über lange Zeit vom Körper produziert und ausgeschüttet, schädigt dies unsere Gesundheit auf verschiedenen Ebenen. Ein Organismus im Stressmodus reagiert mit verschiedenen «Massnahmen». Der Blutdruck und Puls sind erhöht, die Durchblutung konzentriert sich auf grosse Muskeln und wird aus anderen Systemen, wie zum Beispiel den Verdauungsorganen, zurückgezogen. Der Atem wird schnell und flach. Das Gehirn fokussiert sich auf die Gefahr, beziehungsweise auf das «Problem». Diese und zahlreiche weitere Körperreaktionen, die durch Stress ausgelöst werden, machen über einen längeren Zeitraum krank. Daher ist es wichtig, dem Körper zu signalisieren, dass alles OK ist und keine Gefahr für Leib und Leben besteht. Das tückische am Stress ist, dass der Körper nicht unterscheiden kann zwischen einer realen Gefahr, wie beispielsweise der Angriff eines Messerstechers und einer subjektiven Angst, wie zum Beispiel der vor einem Virus oder dem Verlust der Existenz. Wenn wir zu Hause das Licht ein- und ausschalten möchten, betätigen wir wie selbstverständlich den Lichtschalter. Der «Schalter» um unser Stresssystem ein- und auszuschalten ist der Atem. Ein flacher, schneller Atem erhöht den Stresspegel im Körper. Ein langsamer, ruhiger und tiefer Atem senkt den Stresspegel. Diese Körperreaktion ist sehr leicht mess- und visualisierbar. Ich demonstriere dies sehr gerne in meinen Resilienz Seminaren. Ein ruhiger Atem normalisiert unmittelbar das komplette Hormonsystem im Körper. Wenn wir zudem die Augen schliessen, verstärkt sich der Effekt der Entspannung, da erstens die visuellen Eindrücke, die den Körper stimulieren, reduziert werden und zweitens kein Lebewesen in einer Gefahrensituation die Augen schliessen würde. Wir senden mit dem Schliessen der Augen ein unmissverständliches Zeichen an das Gehirn «Alles OK, keine Gefahr in Sicht». Bereits nach nur fünf Minuten ruhiger Atmung ist die körperliche Entspannung im Blut, im Herzschlag (Herzratenvariabilität) und im Gehirn (Elektroenzephalografie) messbar. Den Stress abzuschalten ist wirklich so einfach! Leider ist dieses Wissen noch kaum verbreitet. Zudem haben viele Menschen Mühe damit, fünf Minuten ruhig zu sitzen und sich auf ihren Atem zu konzentrieren. Dies bedarf etwas Übung und der Kenntnis einiger wenigen grundlegenden Techniken. Stressmanagement ist sehr leicht erlernbar.

Als letztes möchte ich auf den Resilienz-Faktor Akzeptanz eingehen. Die Fähigkeit, Situationen anzunehmen, ohne sich entweder mit Groll aufzulehnen oder sich zu unterwerfen, entzieht den herausfordernden Situationen viel Energie. Mir hilft dabei der Resilienz-Spruch: «Glücklich ist, wer vergisst, was nicht zu ändern ist». Äussere Umstände lassen sich oft nicht verändern. Gemäss dem deutschen Neurowissenschaftler und Psychiater Manfred Spitzer stressen uns hauptsächlich Situationen, auf die wir wenig oder gar keinen Einfluss haben. Worauf wir jedoch immer Einfluss haben, ist unsere Reaktion auf und den Umgang mit solchen Situationen. Deshalb empfehle ich in Krisen «bei sich selbst zu bleiben». Dabei hilft ein magisches Instrument, nämlich, die «richtige» Fragestellung. Warum die «richtige» Fragestellung? Stellen Sie sich vor, es geht Ihnen schlecht in dieser Krise. Sie fühlen sich abgeschlagen und unwohl. Sie können nun die Frage stellen: «Warum geht es mir so schlecht?» Die Antworten, die Sie sich geben werden, sind allesamt Argumente rund um Ihre Situation. Vielleicht «eingeschränkte Freiheiten, Ängste, Fremdbestimmung, Unsicherheiten, etc.». Das neu erlangte Wissen bringt Sie jedoch nicht weiter und Sie verharren in der Situation. Sie können die Frage aber auch anders stellen: «Was kann ich tun, damit es mir besser geht?». Die Antworten auf diese Frage sind nun Lösungen. Vielleicht «raus gehen in die Natur, sich informieren, entspannen, mit jemandem reden». Eine solche Fragestellung kann die Situation somit positiv verändern.

Abschliessend möchte ich motivieren, dem Leben mit Gelassenheit und Vertrauen zu begegnen. Wer mit allen Mitteln versucht den Tod zu vermeiden, vergisst oft zu leben. Mit dreissig Jahren habe ich versucht, mir mein Leben zu nehmen. Heute, 17 Jahre später, weiss ich wie wertvoll die Zeit ist, die wir hier verbringen dürfen. Das Leben ist ein Geschenk und jeder Moment verdient es, genossen zu werden. Gerade in unsicheren Zeiten lohnt sich der Fokus auf die guten und schönen Facetten unseres Lebens.

Entspannte Grüsse

Alexander Haener
Resilienz-Experte und Mediator
info@phoenix-resilienz.ch

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